Historie.

Historisches zum Feldhamster


Der Feldhamster profitierte jahrhundertelang von der traditionellen Wirtschaftsweise. Doch es verfolgte ihn sein Ruf, ein hässliches, bissiges und boshaftes Geschöpf zu sein, das Landwirten ungeheuren Schaden zufügen kann. Neben der konsequenten Bekämpfung des Ernteschädlings hatte auch seine wirtschaftliche Nutzung eine lange Tradition.


Verhasst, bekämpft, begehrt

Die Bekämpfung des ungeliebten Ernteschädlings und die wirtschaftliche Nutzung seines Fells waren in Mitteleuropa bis weit ins 20. Jahrhundert hinein üblich. Hamsterbaue wurden überwiegend ausgegraben, um sowohl an den Pelz des Bewohners als auch an die Vorräte zu gelangen. Als Nahrungs- und Futtermittel, vor allem für die Geflügel- und Schweinemast, wurden nicht nur die Vorräte, sondern sogar der Hamster selbst genutzt. Auch über das Vergiften der Tiere, das Austränken mit Wasser, den Fallenfang mit Holzkastenfallen und anderes finden sich Berichte schon aus dem Jahr 1774. Der großflächige Einsatz von Totschlagfallen setzte sich im 20. Jahrhundert durch, als die Verwertung der Hamsterfelle zu einem einträglichen Wirtschaftszweig wurde.


Hamsterfänger und Pelzhandel

Für das Innenfutter dieses Damenmantels aus schwarzem Stoff, den eine Frau aus Leipzig viele Jahre trug, wurden etwa 60 Hamsterfelle vernäht. | Foto: Ina Ebert
Für das Innenfutter dieses Damenmantels aus schwarzem Stoff, den eine Frau aus Leipzig viele Jahre trug, wurden etwa 60 Hamsterfelle vernäht. | Foto: Ina Ebert

In Deutschland lagen die besten Fang- und die traditionellen Bekämpfungsgebiete in der Magdeburger Börde und im Thüringer Becken. 1895 schrieb Heinrich Hanicke in seinem Handbuch für Kürschner: „In Deutschland kommt der Hamster am häufigsten in Thüringen und Sachsen vor und hat sich namentlich am Harz in den Städten Quedlinburg, Halberstadt, Oschersleben eine Industrie gebildet, welch in Bezug auf Billigkeit, Zubereitung und Sortiment der Hamsterfelle keine Konkurrenz erleidet...“  424 Hamsterfänger gab es noch 1976 im Bezirk Magdeburg. In den übrigen deutschen Hamstergebieten rechnete sich der Hamsterfang nur für wenige Hamsterfänger.

Da bis in die 1970er Jahre die Hamsterbekämpfung im Vordergrund stand, erfolgten bei starkem Befall beziehungsweise erheblichen Schäden auch große Vergiftungsaktionen. In den alten Bundesländern wurde die Bekämpfung noch bis 1982 durchgeführt, in der DDR bis zur Wende 1989.

In der DDR bemühten sich Wirtschaftsexperten darum, den Hamsterfang durch nebenberuflich tätige Hamsterfänger zu intensivieren. Die leichten, dauerhaften Felle der Hamster waren begehrt, sie wurden vor allem zu Innenfutter von Mänteln oder zu Westen verarbeitet. Bis zu 100 Nager mussten ihr Leben lassen, um das Futter für einen einzigen Mantel herzustellen.

Der gewerbswerbsmäßige
Der gewerbswerbsmäßige "Erdjäger" und Hamsterfänger Gustav Hommel, ein Original aus Eckersdorf bei Dresden, 1864 (Unveränderter Nachdruck der Neuen Brehmbücherei Heft 21 der 2. Auflage von 1952 durch Westarp 2003). | Quelle: E. Rudolph, Hainsberg

Sogar noch in der Zeit von 1961 bis 1966 wurden zum Beispiel im Bezirk Leipzig über 64.000 Felle zur Verarbeitung abgeliefert. Der Pelzhandel brachte Leipzig den Ruf der „Weltstraße der Pelze“ ein. Das jahrhundertealte Zentrum des Weltpelzhandels, die „Pelzstraße“ Brühl in Leipzig setzte in der DDR als eines der größten Außenhandelsunternehmen, die „Interpelz“, die Arbeit fort. 

Die begehrten Mai- und Herbstfelle wurden zum Teil auch im VEB Brühlpelz Werk Wildware in Leipzig Schkeuditz zu Mänteln und Mantelfutter verarbeitet. 1958 lag die Fangquote bei 2.200.000, 1964 bei 1.480.000. Hamsterfänger Karl Bloch aus Hamersleben gingen allein im Mai 1975 1.000 Hamster in die Falle. Zu dieser Zeit galt der Feldhamster noch als Großschädling. Doch bereits 1979 wurde ein spürbarer Rückgang der Hamster festgestellt und die Hamsterfangquote sank rapide. Schon damals vermutete man, dass die Ursachen im schnelleren Einbringen der Ernte, Giftködern gegen Mäuseplagen und Herbiziden lagen.


Früher war vieles besser

Bildtafel Luzerne. | Quelle: Landwirtschaftliche Unterrichtsbücher: Pflanzenbau
Bildtafel Luzerne. | Quelle: Landwirtschaftliche Unterrichtsbücher: Pflanzenbau

Der Feldhamster profitierte jahrhundertelang von traditionellen ackerbaulichen Methoden, störungsfreien Zweitlebensräumen, mosaikartigen Ackerkulturen und langsam arbeitenden Maschinen.

Die Wirtschaftsweise vergangener Zeiten war geprägt von einem Mosaik kleiner Felder. Auf ihnen  reiften nacheinander verschiedene Kulturen. Sie wurden anfangs zumeist von Hand geerntet, das Getreide stellt man in Garben zum Trocknen auf. Die Ernte zog sich über Wochen hin und zum Hamstern blieb viel Zeit. Ideale Bedingungen, die dem ehemaligen Bewohner der Steppe den Umzug in die Kulturlandschaft leicht machten.

Bereits mit Beginn des Mittelalters um etwa 800 n. Chr. kam die Dreifelderwirtschaft auf. Schon in dieser Zeit profitierten die Hamster von der verbesserten Landnutzung im Allgemeinen, der Vergrößerung der landwirtschaftlichen Anbaufläche, der Vielzahl an Feldfrüchten, dem Angebot von Winter- und Sommergetreide sowie der Bearbeitung der Felder mit einfachstem Gerät. Das 18. Jahrhundert stellte eine weitere Phase der Optimierung des Ackerbaus dar. Die Trockenlegung von Feuchtgebieten vergrößerte das für den Hamster potenziell besiedelbare Areal. Die Bestellung der Brachflächen mit mehrjährigen Futterpflanzen wie Luzerne, Klee und Esparsette lieferte ihm einen zusätzlichen und gegenüber den Getreidefeldern störungsarmen, nahrungs- und deckungsbeständigen Zweitlebensraum. Die Kombination dieser Faktoren, die geringen Feldgrößen und die damit verbundene Diversität an Feldfrüchten, die für den Hamster erreichbar waren, begünstigten seine Ausbreitung und Populationsdichten.

Leichter Hackpflug. | Quelle: Des Landmanns Weg zum Erfolg. Ein Nachschlagewerk für die Landwirtschaft. 1920
Leichter Hackpflug. | Quelle: Des Landmanns Weg zum Erfolg. Ein Nachschlagewerk für die Landwirtschaft. 1920

Im 19. Jahrhundert überbrückte die verbesserte Dreifelderwirtschaft das Brachestadium mit dem Anbau von Raps, Kartoffeln, Futter- und Zuckerrüben. Für den Hamster erhöhte sich in dieser Zeit das Nahrungsangebot bei gleich gebliebener, überwiegend manueller Feldbearbeitung. Viehgetriebene Landmaschinen gab es zwar schon, aber sie arbeiteten langsam. Auf den Feldern aufgestellte Getreidegarben boten den Hamstern auch nach der Ernte noch Nahrung. Stoppelumbruch und Pflügen erfolgten häufig erst im Spätherbst. So konnten sich die Hamster mit Nahrung für den Winter eindecken, zumal Halm- und Blattfrüchte wie auch Viehfutterschläge sich mosaikartig abwechselten und ein in saisonaler Abfolge verfügbares Nahrungsspektrum boten. 

Das alles begann sich zu ändern, als sich die Landwirte von traditionellen ackerbaulichen Methoden mehr und mehr trennten und mit leistungsstarken Maschinen auf großen Ackerschlägen in kürzester Zeit die Ernte einholten, die Stoppeln umbrachen und die Felder unmittelbar danach neu bestellten. Vor allem mit der intensivierten Landwirtschaft entstanden die Ursachen für den Rückgang [Ursachen für den Rückgang] der Tierarten der Agrarlandschaft. Doch trotz bester Lebensbedingungen für den Feldhamster in vergangenen Zeiten, zu diesen Wirtschaftsformen führt kein Weg zurück. Die Erkenntnisse daraus spiegeln sich jedoch in aktuellen landwirtschaftlichen Schutzmaßnahmen wieder.


Historische Berichte aus der Presse

Landwirte fürchteten  den Feldhamster als ein überaus gefräßiges, boshaftes und bissiges Tier, das ihnen die Ernte schmälerte und deshalb intensiv bekämpft wurde. Historische Berichte aus der Presse aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gewähren einen kleinen Einblick in die Geschehnisse der damaligen Zeit. Das Leipziger Tageblatt veröffentlichte beispielweise 1919 einen Aufruf des Rates der Stadt zur Vertilgung von Ratten, Mäusen und Hamstern. Selbst im Brockhaus‘ Konversationslexikon von 1903 wurde das Töten und die Vergütung mittels Fellprämien beschrieben.

Hamster hüllt ein Dorf in Finsternis. | Quelle: Leisninger Tageblatt
Hamster hüllt ein Dorf in Finsternis. | Quelle: Leisninger Tageblatt
4000 Hamster gefangen. | Quelle: Kirchberger Zeitung
4000 Hamster gefangen. | Quelle: Kirchberger Zeitung
Hamsterfänger. | Quelle: --
Hamsterfänger. | Quelle: --
Arbeitslose machen Hamster unschädlich. | Quelle: Oberlausitzer Tageszeitung
Arbeitslose machen Hamster unschädlich. | Quelle: Oberlausitzer Tageszeitung
Hamsterplage. | Foto: Neue Vogtländische Zeitung
Hamsterplage. | Foto: Neue Vogtländische Zeitung
Schwarzer Hamster. | Quelle: Kirchberger Zeitung
Schwarzer Hamster. | Quelle: Kirchberger Zeitung
Allgemeine Vertilgung von Ratten, Mäusen und Hamstern. | Quelle: Leipziger Tageblatt
Allgemeine Vertilgung von Ratten, Mäusen und Hamstern. | Quelle: Leipziger Tageblatt
Vom Hamster in den Fuß gebissen. | Quelle: --
Vom Hamster in den Fuß gebissen. | Quelle: --